Diesen Artikel hat Sissi hier auf ihrem Blog "Bananenschneckerl bloggt" geschrieben. Ich fand ihn aber so gelungen, dass ich sie gefragt habe, ob ich ihn hier als Gastbeitrag veröffentlichen darf. Vielen Dank dafür.
Mobbing kann jeden treffen – im realen
wie im virtuellen Leben. Ich selbst war schon wiederholt Mobbing
ausgesetzt: zu Schulzeiten (nur haben wir das damals noch nicht so
genannt), am Arbeitsplatz, im Verein und online, in Diskussionsforen.
Alles keine angenehmen Erfahrungen, doch ich konnte sie überwinden und
verarbeiten. Verziehen habe ich den Tätern allerdings bis heute nicht.
Dazu bin ich nicht »Om« genug.
In meinem Freundes- und Familienkreis gab
es ebenfalls schon Mobbing-Attacken – durch Lehrer, Kollegen, Nachbarn
und Angehörige. Sämtliche Schikanen und Belästigungen geschahen
unprovoziert. Keiner von uns ist in irgendeiner Weise schwach,
ängstlich, konfliktscheu oder gar unterwürfig – im Gegenteil! Auslösende
Momente bei den Tätern waren offensichtlich ein geringes
Selbstwertgefühl, »Platzhirschängste«, Neid, Missgunst, Hass und in drei
Fällen – man lese und staune – unerfülltes sexuelles Begehren.
Ihr seht: Weder gibt es »typische«
Mobbing-Opfer noch allgemeine Verhaltensregeln oder Tricks, um sich vor
Mobbing-Angriffen und ihren potenziellen Folgen zu schützen. So sprechen
aktuelle Statistiken davon, dass allein in Deutschland jährlich rund
1,5 Millionen Menschen unter Schikanen am Arbeitsplatz leiden. Nach dem Mobbing-Report 2002 (Kurzfassung als →Download) ergibt sich folgendes Bild:
- Mobbing kommt überdurchschnittlich häufig im Gesundheits- und Sozialwesen (Stichwort: Pflegeberufe!), in der öffentlichen Verwaltung und im Erziehungssektor vor.
- In über 50 Prozent aller Fälle sind Vorgesetzte am Mobbing-Geschehen beteiligt.
- Mobbing-Prozesse enden in mehr als 50 Prozent der Fälle durch Kündigung bzw. Auflösung des Arbeitsvertrages.
- Man schätzt, dass jeder vierte Selbstmord auf berufliche Konflikte zurückzuführen ist.
Wo fängt Mobbing an – und wo hört es auf?
Darüber streiten Psychologen und Soziologen noch immer ebenso heftig
wie über die Frage, ob Mobbing wirklich ein modernes Phänomen oder so
alt wie die Menschheit ist. Wann wird aus dem Necken unter
Vereinskameraden Mobbing? Was ist mit der kleinen Stichelei der Kollegin
über die Frisur der Neuen? Und wie sieht es mit den klassischen
Schulhofhänseleien aus?
Die Übergänge sind fließend und werden
meist durch strukturelle Faktoren (mit-)bestimmt: Täter betrachten –
oft, ohne sich dessen selbst bewusst zu sein – Mobbing als Waffe
(soziale Sanktion) im Wettstreit um knappe Ressourcen wie
Aufmerksamkeit, Anerkennung, Beliebtheit und Zuneigung, aber auch im
Kampf um Aufstiegspositionen in einer Gruppe (Rollenkonflikte) oder am
Arbeitsplatz (Einkommen).
Ungünstige Bedingungen wie Langeweile bis
hin zur Monotonie, Über- und Unterforderung, Stress, Mängel in der
Kommunikations- und Informationsstruktur und/oder mangelnder
Handlungsspielraum gelten unter anderem als fördernd für die Entwicklung
eines Klimas, in dem Mobber munter gedeihen. Traurig nur, dass genau
diese Punkte viel zu oft zum Alltag in Schule und Beruf gehören …
Wie schnell wird da nach einem Sündenbock
gesucht, den der Mobber stigmatisieren und durch psychischen, wenn
nicht gar körperlichen Terror ins soziale Aus schieben kann. – Hurra,
der eigene Frust ist abgebaut! Doch der Konflikt ist nur scheinbar
gelöst: Entweder muss sich der Mobber nun ein neues Opfer suchen oder er
gibt seinem aktuellen Opfer »den Rest«. Und was sagt →Wikipedia dazu?
Umgangssprachlich ausgedrückt
bedeutet Mobbing, dass jemand – zumeist am Arbeitsplatz, aber auch in
anderen Umgebungen – fortgesetzt geärgert, schikaniert, in passiver Form
als Kontaktverweigerung mehrheitlich gemieden oder in sonstiger Weise
in seiner Würde verletzt wird. Eine allgemein anerkannte Definition gibt
es nicht. Die meisten Forscher betonen (…) folgende Gesichtspunkte:
- Verhaltensmuster: Mobbing bezieht sich auf ein Verhaltensmuster und nicht auf eine einzelne Handlung. Die Handlungsweisen sind systematisch, das heißt sie wiederholen sich ständig.
- Negative Handlungen: Mobbing-Verhalten kann verbal (z. B. Beschimpfung), nonverbal (z. B. Vorenthalten von Informationen) oder physisch (z. B. Verprügeln) sein. Solche Handlungen gelten üblicherweise als feindselig, aggressiv, destruktiv und unethisch.
- Ungleiche Machtverhältnisse: Die Beteiligten haben unterschiedliche Einflussmöglichkeiten auf die jeweilige Situation. Eine Person ist einer anderen Person unter- bzw. überlegen. Dazu ist kein Rangunterschied nötig. Eine Ungleichheit kann durch die bloße Anzahl bedingt sein: viele Personen gegen eine Person.
- Opfer: Im Handlungsverlauf bildet sich ein Opfer heraus, das infolge ungleicher Machtverhältnisse Schwierigkeiten hat, sich zu verteidigen.
Besonders erschreckend finde ich die sich
in den letzten Jahren häufenden Meldungen über Selbstmorde von Kindern
und Jugendlichen, die Opfer von Mobbing-Attacken in der Schule, am
Ausbildungsplatz oder im Internet geworden sind. Gerade im Netz scheinen
die Hemmschwellen für Mobber besonders niedrig zu sein – und ungeliebte
Schul- oder Vereinskameraden eine »leichte Beute«.
Viele Kinder und Jugendliche trauen sich
in der – scheinbar – anonymen virtuellen Welt eher, Gleichaltrige
anzugreifen und in Bild und Text bloßzustellen. Sie nutzen
Internetdienste wie Online-Communities, Soziale Netzwerke, Chats, Video-
und Fotoplattformen, Websites, Blogs und dergleichen mehr zum
Beleidigen und Schikanieren ihrer Opfer. Per Handy wird der Terror noch
durch Anrufe, WhatsApp-Mitteilungen, SMS, MMS oder E-Mails verstärkend
ergänzt, bis das Opfer keinen anderen Ausweg mehr als im Freitod sieht.
Wann immer solche Meldungen durch die
Medien gehen, sitze ich fassungslos vor den Nachrichten oder starre in
die Zeitung und kämpfe mit den Tränen. So sehr ich das Internet liebe
und es toll gefunden hätte, wenn ich in jungen Jahren bereits Zugriff
darauf gehabt hätte, so sehr bin ich auch dankbar dafür, dass meine
Generation unberührt von Cyber-Mobbing und Co. aufwachsen durfte.
Heute sieht es anders aus und gerade die
Blogger unter uns machen sich mit ihren oft sehr persönlichen Berichten
überaus angreifbar. Ein unbedachter Satz im Blog, ein spontaner
Kommentar bei Facebook – und schon bricht ein wahrer Shitstorm auf den
einschlägigen Social-Media-Plattformen über uns herein. Autsch! Da ist
ein dickes Fell gefragt und eine Tasse Tee kann auch nicht schaden, um
die Nerven zu stärken.
Doch was unternehme ich nun, wenn ich on-
oder offline gemobbt werde? Wenn eine eifersüchtige Frau mich im
Bekanntenkreis, bei Auftraggebern und via Twitter und Facebook
verleumdet, weil ich mit dem Mann ihrer Träume zusammen bin? Wenn eine
beliebte Bloggerin mich öffentlich disst, weil ich Fisch esse und in
ihren Augen nur Veganer echte Tierfreunde sind? Wenn eine Leserin mich
angreift, weil ich aktuell keine High-End-Kamera zur Verfügung habe und
meine Fotos daher leider nicht so schön sind wie von ihr erhofft?
Wenn ihr jetzt ein Patentrezept von mir
erwartet, muss ich euch leider enttäuschen: Wüsste ich eines, würde ich
ein dickes, schlaues Buch darüber schreiben, reich werden und 20 Prozent
meiner Einnahmen einem Selbsthilfeverein für Mobbing-Opfer spenden.
Doch ich kann euch verraten, wie ich mit früheren Mobbing-Angriffen
umgegangen bin. Vielleicht sind ja ein paar sinnvolle Tipps für euch
dabei:
- Analysiert die Mobbing-Situation: Geht den Konflikt aktiv an und setzt euch mit dem Mobbing-Geschehen auseinander. Was ist der Hintergrund für die Ereignisse? Wo liegen die Ursachen? Im Job wird z. B. häufig gemobbt, um Stellen abzubauen oder neu zu besetzen. Im Internet spielt Neid oftmals eine große Rolle, ebenso im Klassenzimmer oder im Verein. Denkt darüber nach, ob ihr selbst etwas zur aktuellen Situation beigetragen habt (Überprüfung der eigenen Wahrnehmung). Habt ihr vielleicht eure Kompetenzen überschritten, euch wichtig gemacht oder einen anderen Menschen verbal verletzt und derjenige schlägt jetzt zurück?
- Überlegt euch, ob eine Aussprache unter vier Augen sinnvoll ist: Erfahrungsgemäß ist dies leider meist nicht der Fall. Wenn sich der Mobber überhaupt darauf einlässt, lügt er euch in der Regel frech ins Gesicht, stimmt euch und den vorgeschlagenen Problemlösungen zu, setzt dann aber seine Angriffe fort, sobald ihr ihm den Rücken zukehrt. Insgeheim legt er euch in diesem Fall euer Anliegen als Schwäche aus. Manchmal ist ein vermeintlicher Mobber aber auch gar kein Mobber, sondern nur ein über einen schwelenden Konflikt zutiefst unglücklicher Mensch, der froh über eure Offenheit ist und selbst ein großes Interesse an einer Aussprache hat. Hier müsst ihr sorgfältig abwägen, ob ihr vielleicht selbst etwas zur aktuellen Situation beigetragen habt (vgl. Punkt 1.).
- Zeigt Selbstbewusstsein: Ganz gleich, ob ihr nun ein klärendes Gespräch sucht oder euch dieses sinnlos erscheint – tretet stets selbstbewusst auf und lasst euch durch ungerechte Anschuldigungen weder verunsichern noch einschüchtern. Dieser Punkt geht Hand in Hand mit dem nächsten Rat:
- Rechtfertigt euch nicht: Ob klein oder groß, dünn oder dick, mit kurzen oder langen Haaren, Glatze oder bunt gefärbt wie ein exotischer Fisch, auf zwei Beinen oder im Rollstuhl, hetero-, homo-, bi- oder transsexuell, evangelisch, katholisch, muslimisch, buddhistisch oder atheistisch, Fleisch- oder Pflanzenfresser, Handyknipser oder Hasselblad-Liebhaber, E-Book-Freund oder Papierfetischist: Eure Eltern haben euch das Leben geschenkt, damit ihr es so lebt, wie es euch gefällt! Es gibt schon genug Umstände, die unser aller Freiheit beschneiden, da müssen wir uns nicht noch von anderen Menschen sagen lassen, wie wir zu sein haben. Wenn ihr euch im tiefsten Innern gut findet, dann bleibt dabei!
- Stellt Transparenz her: Hierunter verstehe ich Öffentlichkeit an Schule und Arbeitsplatz, nicht im Internet! Thematisiert das Geschehen gegenüber Vorgesetzten, Betriebsrat bzw. Personalvertretung und Kollegen bzw. Lehrern, Schülervertretern, Klassenkameraden und anderen Vertrauenspersonen und signalisiert dabei offen eure Bereitwilligkeit zur Konfliktlösung. So hat der Mobber im besten Fall keine Chance mehr, sich zu verstecken oder gar Anhänger zu gewinnen.
- Führt ein Mobbing-Tagebuch: Gerade bei Mobbing am Arbeitsplatz und in der Schule, aber auch bei schweren Mobbing-Vergehen im Internet macht es Sinn, über die Ereignisse ein Tagebuch zu führen und die Geschehnisse detailliert zu protokollieren (Eckdaten: Datum, Uhrzeit, Aktuere, eventuelle Zeugen, eigene Befindlichkeit). Zum einen erhaltet ihr so einen besseren Überblick über die Situation, zum anderen hilft solch ein Tagebuch bei der eventuell notwendigen Strafverfolgung des Mobbers sowie bei sonstigen rechtlichen Konsequenzen. Nicht zuletzt tretet ihr so aus der passiven Haltung heraus, nehmt die Sache in die Hand und bekommt einen klaren Kopf!
- Sucht euch Rückhalt im Freundeskreis und in der Familie: Sprecht mit euren Lieben über die Mobbing-Situation und stellt klar, dass ihr euch aktive Unterstützung wünscht, überfordert sie aber nicht. Falls ihr das Gefühl habt, allein zu sein (ich weiß, dass es viel zu viele Menschen gibt, die leider niemanden haben, der ihnen zur Seite steht), dann schämt euch bitte nicht und wendet euch an eine der von mir im Anschluss aufgeführten Adressen – dort wird euch auf jeden Fall geholfen! Auch euer Hausarzt oder Seelsorger können geeignete Ansprechpartner sein.
- Lasst euch nicht ausgrenzen und isolieren: Das ist unter solchen Umständen nicht leicht, aber haltet den Kontakt zu Kollegen bzw. Klassenkameraden. Nicht alle stehen auf der Seite des Mobbers, einige werden vielleicht sogar selbst von ihm schikaniert und bieten euch Rückendeckung und Unterstützung an.
- Schafft euch einen körperlichen und geistigen Ausgleich: Eine Mobbing-Erfahrung bedeutet Stress pur. Achtet auf euch und sorgt dafür, dass ihr durch Sport, Spaziergänge an der frischen Luft, Kreativität, das Lesen eines guten Buches, das Kraulen eurer Katze oder was immer euch entspannt und den Kopf frei bläst, für einen gesunden Ausgleich sorgt. Je seltener eure Gedanken um den Mobber kreisen, desto weniger Macht kann er auf euer (Seelen-)Leben ausüben!
- Lauscht in euch hinein: Macht euch der Mobber buchstäblich krank, dann geht zu eurem Hausarzt, lasst euch untersuchen und gegebenenfalls krankschreiben. Ihr nützt niemandem – und könnt auch niemandem etwas beweisen -, wenn ihr euch schlapp und krank zur Arbeit oder in die Schule schleppt. Nicht zuletzt sind wiederholte mobbingbedingte Krankschreibungen auch eine wertvolle Dokumentation, wenn es im Rahmen eines Rechtsstreits um Themen wie Schadensersatz oder Schmerzensgeld geht.
- Informiert euch über Mobbing: Im Anschluss liste ich einige Adressen auf, bei denen ihr weitere Informationen und Unterstützung findet. Ich werde diese Liste regelmäßig aktualisieren und ergänzen. Ihr seid nicht allein! Selbsthilfegruppen können eine gute Anlaufstelle sein, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und ein unterstützendes Netzwerk aufzubauen.
Ich hoffe, ich konnte den Betroffenen
unter euch mit diesem Artikel ein wenig weiterhelfen. Vergesst bitte
nie: Krisen bieten immer auch eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung.
Allen übrigen Lesern möchte ich ans Herz legen, die Augen offenzuhalten –
gebt Mobbern keine Chance! Lacht nicht über ihre »Witze«, teilt sie
nicht im Internet – Worte können ebenso verletzen wie Schläge und wenn
wir tatenlos danebenstehen, wenn ein Mobber am Werk ist, machen wir uns
mitschuldig.
Habt ihr ebenfalls schon
Mobbing-Erfahrungn gemacht? Wie seid ihr damit umgegangen? Ich freue
mich über eure Anregungen, Ideen und Kommentare!
Euer Schneckerl
"Bananenschneckerl bloggt": Sissi St. Croix, Jahrgang 1969, ist ein Münchner Kindl mit Wurzeln im Ruhrgebiet, Bloggerin aus Leidenschaft und Infopreneur aus Berufung. Sie schreibt für Menschen wie dich und mich – hauptsächlich über neue und altvertraute Produkte aller Art. Seit 30 Jahren leidet sie an einer ernst zu nehmenden Schwäche für Nagellacke und Lippenstifte, die ebenso als unheilbar gilt, wie ihre im Alter von drei Jahren diagnostizierte Bibliomanie. In ihrer Freizeit kocht, backt und futtert sie sich am liebsten durch die Küchen dieser Welt und hat ein Herz für alle, die so anders sind wie sie. Denn sind wir nicht alle ein bisschen anders?